Achtung beim Obstkauf: Der unsichtbare Betrug mit Herkunftsangaben, den 9 von 10 Käufern übersehen

Sommerzeit ist Pfirsichzeit – und gerade in den warmen Monaten locken Supermärkte und Discounter mit verlockenden Sonderangeboten für das süße Steinobst. Doch während der Preis auf dem bunten Werbeprospekt groß prangt, bleibt eine entscheidende Information oft im Kleingedruckten versteckt oder fehlt gänzlich: Woher kommen diese Pfirsiche eigentlich? Die Herkunftskennzeichnung bei Obst ist nicht nur eine rechtliche Vorgabe, sondern ein wichtiges Instrument für bewusste Kaufentscheidungen. Besonders bei Aktionsware entsteht jedoch ein Spannungsfeld zwischen günstigem Preis und transparenter Information.

Die rechtliche Grundlage: Was Händler angeben müssen

Bei verpacktem und unverpacktem unverarbeitetem Obst und Gemüse muss in der Europäischen Union das Anbauland angegeben werden. Bei Pfirsichen muss die Herkunft gut sichtbar auf der Verpackung oder unmittelbar in der Nähe auf einem Schild oder Bildschirm erkennbar sein. Diese Regelung gilt unabhängig davon, ob es sich um reguläre Ware oder um Sonderangebote handelt. Die EU-Vermarktungsnormen schreiben diese Transparenz zwingend vor, um Verbrauchern informierte Kaufentscheidungen zu ermöglichen.

Sobald Obst verarbeitet wird – etwa geschnitten, getrocknet oder eingekocht – entfällt diese Kennzeichnungspflicht allerdings. Bei frischen Pfirsichen greift sie jedoch vollumfänglich.

Wenn der Rabatt die Information verdrängt

Beobachtungen in Filialen zeigen ein wiederkehrendes Muster: Je größer der beworbene Preisnachlass, desto kleiner und unauffälliger erscheint die Herkunftsangabe. Während auf Werbeplakaten riesige Zahlen mit „nur 0,99 Euro“ locken, findet sich die Information „Herkunft: Spanien“ oder „Ursprung: Griechenland“ oft nur in winziger Schrift auf einem separaten Etikett. Manchmal steht die Angabe ausschließlich auf den Transportkisten im Lagerbereich, nicht jedoch an der Verkaufstheke selbst.

Diese Praxis bewegt sich in einer Grauzone. Die Verordnung schreibt vor, dass die Information sichtbar sein muss, lässt aber offen, wo genau auf dem Etikett sie stehen soll. Dies eröffnet Händlern Spielraum, die Angabe zwar bereitzustellen, aber nicht prominent zu platzieren. Die Information ist technisch vorhanden, praktisch jedoch für viele Käufer kaum wahrnehmbar. Gerade bei Aktionsware mit hohem Verkaufsdruck und schnellem Warenumschlag gerät die korrekte Kennzeichnung manchmal ins Hintertreffen.

Warum die Herkunft bei Pfirsichen besonders relevant ist

Die geografische Herkunft von Pfirsichen beeinflusst mehrere wichtige Faktoren, die für Verbraucher von Bedeutung sind. Transportwege und Klimabilanz spielen eine zentrale Rolle: Pfirsiche aus Südeuropa haben einen deutlich kürzeren Anfahrtsweg als Früchte aus Übersee oder Südafrika. Je kürzer die Transportdauer, desto reifer können Pfirsiche geerntet werden, was sich unmittelbar auf Geschmack und Qualität auswirkt.

Innerhalb der EU gelten einheitliche Pestizidgrenzwerte und Produktionsvorschriften, während bei Drittländern unterschiedliche Standards gelten können. Die Herkunft gibt außerdem Aufschluss darüber, ob es sich um saisonale Ware handelt oder um Früchte aus Gewächshäusern oder Regionen mit künstlicher Klimakontrolle. All diese Aspekte machen die Herkunftskennzeichnung zu mehr als einer bloßen Formalität.

Typische Verschleierungstaktiken erkennen

Neben der reinen Schriftgröße gibt es weitere Methoden, mit denen die Herkunft verschleiert oder zumindest nicht prominent kommuniziert wird. Mehrdeutige Formulierungen sind dabei besonders verbreitet.

Mehrdeutige Formulierungen

Angaben wie „verpackt in Deutschland“ oder „kontrolliert in Italien“ sagen nichts über den tatsächlichen Anbauort aus. Diese Formulierungen beziehen sich lediglich auf Verarbeitungsschritte und erfüllen nicht die Anforderung einer aussagekräftigen Herkunftsangabe. Die Früchte können durchaus aus einem ganz anderen Land stammen und nur für die Vermarktung umgepackt worden sein.

Nach der EU-Lebensmittelinformationsverordnung ist eine klare Herkunftsangabe immer dann erforderlich, wenn Verbraucher durch fehlende oder irreführende Informationen getäuscht werden könnten. Ein vorverpacktes Produkt mit französischer Flagge, das aber aus Polen stammt, muss deutlich mit einem Hinweis wie „Hergestellt in Polen“ gekennzeichnet werden.

Vermischung verschiedener Herkünfte

In Aktionskisten mit reduzierten Pfirsichen landen manchmal Früchte unterschiedlicher Herkunft. Wenn dann nur eine Herkunft angegeben wird oder die Formulierung „verschiedene Ursprünge“ genutzt wird, bleibt der Verbraucher im Unklaren über die konkreten Anbauregionen. Große Hinweise auf „sonnengereift“, „aromatisch“ oder „besonders saftig“ lenken zusätzlich von der fehlenden oder versteckten Herkunftsangabe ab. Diese werblichen Aussagen ersetzen jedoch keine gesetzlich vorgeschriebene Information.

Was Verbraucher aktiv tun können

Der Schutz vor irreführenden oder unvollständigen Angaben beginnt beim bewussten Einkauf. Ist die Herkunftsangabe nicht eindeutig erkennbar, haben Verbraucher das Recht, beim Personal nachzufragen. Mitarbeiter sind verpflichtet, diese Information bereitzustellen. Wiederholte Nachfragen schaffen auch beim Händler ein Bewusstsein dafür, dass Kunden diese Information wichtig ist.

Fehlt die Herkunftsangabe vollständig oder ist sie offensichtlich irreführend, können Verbraucher dies fotografisch dokumentieren und bei der zuständigen Lebensmittelüberwachung oder Verbraucherzentrale melden. Solche Hinweise führen zu Kontrollen und tragen zur Verbesserung der Situation bei. Außergewöhnlich niedrige Preise entstehen selten ohne Grund. Bei Pfirsichen zu Spottpreisen lohnt sich die Frage: Woher kommt diese Ware, und unter welchen Bedingungen wurde sie produziert?

Regionale Alternativen bewusst wählen

Wochenmärkte und Direktvermarkter bieten oft die beste Möglichkeit, die Herkunft direkt beim Erzeuger zu erfragen und dabei frischere, geschmacklich überlegene Ware zu erhalten. Der persönliche Kontakt schafft Vertrauen und macht Lieferketten nachvollziehbar. Bei regionalen Erzeugern sind die Transportwege kurz, was sich positiv auf Frische und Klimabilanz auswirkt. Solche Direktverkäufe unterliegen denselben Kennzeichnungspflichten wie der Einzelhandel, jedoch ist die Transparenz durch den persönlichen Austausch meist deutlich höher.

Die Rolle der Saison verstehen

Pfirsiche haben in Mitteleuropa zwischen Juli und September Hochsaison. Wer außerhalb dieser Zeit auf Sonderangebote stößt, sollte besonders wachsam sein: Diese Früchte stammen zwangsläufig aus fernen Regionen mit entgegengesetzten Jahreszeiten oder aus energieintensiven Gewächshausproduktionen. Die Herkunftskennzeichnung wird dann noch wichtiger, bleibt aber oft noch weniger transparent.

Verbraucherschutz beginnt beim Informationszugang

Transparenz ist keine Gefälligkeit des Handels, sondern ein Verbraucherrecht. Die Herkunftskennzeichnung bei Pfirsichen und anderem frischen Obst dient nicht nur der Rückverfolgbarkeit im Krisenfall, sondern ermöglicht informierte Kaufentscheidungen nach persönlichen Präferenzen – sei es aus ökologischen, gesundheitlichen oder ethischen Gründen.

Händler, die auch bei Aktionsware auf gut sichtbare, eindeutige Herkunftsangaben achten, zeigen Respekt gegenüber ihren Kunden. Verbraucher wiederum sollten dieses Recht einfordern und Händler, die Transparenz bieten, durch ihre Kaufentscheidungen bestärken. Nur durch aktive Nachfrage und kritisches Hinterfragen lässt sich langfristig eine Verbesserung der Kennzeichnungspraxis erreichen – auch und gerade bei verlockenden Sonderangeboten.

Achtest du bei Sonderangeboten auf die Herkunft von Obst?
Ja immer genau
Manchmal schon
Eher selten
Nein nie
Wusste nicht dass es Pflicht ist

Schreibe einen Kommentar